Jetzt sind wir schon ein ganzes Weilchen im Balkan unterwegs, Zeit für eine Checkliste finden wir. Hier die Klischees:
- Modern oder Kleinstadtcharme?
- Gastfreundschaft wird GROß geschrieben
- Vegetarier – was ist das? Kann man das essen?
- Haste mal ne Mark? / Kriminalität
- Schlechte Straßenverhältnisse
- Lada Niva an jeder Straßenecke
1. Modern oder Kleinstadtcharme?
Altstadt statt Stadt – das gilt auf jeden Fall für Sarajevo. Alladin in town! Öllampen beleuchten die steinigen Gässchen, alles ist romantisch verwinkelt. Die Innenstadt von Sarajevo ist keine moderne Großstadt, wie man das von Hauptstädten ja irgendwie erwartet. Sie ist little Istanbul! Besonders das muslimische Viertel „Basčarsija“. Hier wird – klar – kein Schweinefleisch gegessen und in den meisten Lokalen gibt’s keinen Alk (Sauerei!), dafür wird en masse pechschwarzer Kaffee serviert, der Ungeübte locker bis zum Morgengrauen wachhält. Dazu gibt’s soft Sweets, die einen zuckersüßen Vorgeschmack auf die Türkei bieten. Sarajevo ist so klein, dass es einem lebenden Museum gleicht, und das dennoch von einer Moschee, über orthodoxe, christliche Kirchen und die Ecke, die durch das Attentat auf Franz Ferdinand den ersten Weltkrieg auslöste, alles zu bieten hat! Wie „Großstadt untypisch“ diese Stadt ist, zeigt sich auch daran: das goldene M sucht man hier vergebens! Doch die baldige Mc Donald’s Eröffnung wird bereits auf 1001 Plakat groß angekündigt ;) Witzig daran: Hier kann man mit dem Wort „Fast Food“ anscheinend noch richtig Werbung machen… bei uns wurde der arme Ronald ja mittlerweile in den wohlverdienten Ruhestand geschickt und das böse Wort „Fast Food“ durch „Aloe Vera“, „Fitness“ und „Bio“ ersetzt?!?!
Auf Belgrad trifft das Klischee „unberührte Kleinstadt“ ja mal so gar nicht zu. Belgrad kann echt locker als Großstadtmetropole mithalten und wird schon als „new New York“ gehandelt! Hyper moderne Restaurants/Shops/Nightlife. Der mega positive Großstadt-Eindruck geht allerdings komplett flöten, als wir Tickets fürs Exit Festival kaufen wollen. Fälschlicher Weise stellen wir uns am Ticketsale in der Innenstadt an – wie konnten wir sie da nur vermuten? Dort erfahren wir, dass „Converse“ und die „Erste Bank“ stattdessen die Tickets verkaufen. Aber auch nicht in den Filialen in der Innenstadt, sondern außerhalb und den Studenten-Rabatt gibt’s nur in der Shoppingmall auf der anderen Flussseite. Hätt man auch selber drauf kommen können .. nicht… aber die super hilfsbereiten Belgrader führen einen liebenswert durch den Großstadtdschungel. Und siehe da, sechs Stunden später haben wir „schon“ die Karten!
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2. Gastfreundschaft wird GROß geschrieben
Und wie! Ein wunderschönes Klischee, das sich immer wieder bestätigt. Egal, wo wir hinkommen, uns wird Turkish Coffee oder Sliwowitz angeboten. Und wir nehmen dankend an ;) Darüber hinaus werden wir immer wieder reich beschenkt. Kurz vor Belgrad nächtigen wir bei dem 50-jährigen Nebojsha und seiner Tante. Prompt lädt er uns zu Kaffee und Sliwowitz ein und erklärt uns anhand einer Karte in gutem Englisch alles über Serbiens Geschichte. Seine Tante kommentiert fleißig – auf Serbisch. Wir nicken freundlich, dabei schimpft sie vielleicht gerade auf die Scheiß-Nato-Deutschen, die Belgrad des „lieben Frieden willens“ bombardierten. Langsam sickert durch, dass wir Deutschen deswegen nicht den allerbesten Ruf in Serbien haben – das war in Bosnien ja ganz anders.. da hat man uns genau deswegen so gemocht. Trotzdem fühlen wir uns wohl bei Nebojsha, denn er zumindest ist bekennender Deutschland-Fan: Adidas Sportanzug, alter Mercedes und deutscher Schäferhund. Und auch seine Tante ist uns zum Glück wohl gesonnen. Das beweist sie, indem sie kurz in ihrem Garten verschwindet und mit reichlich Bio-Food zurückkehrt: Gurken, Zwiebeln, Marillen und frisch gepresster Beerensaft – alles aus dem Eigenanbau, alles für uns. Wie sind gerührt! Dabei müssten WIR eigentlich SIE beschenken, denn wir bekommen mit, wie der Postbote die monatliche Rente in bar überbringt. Neugierig fragen wir nach der Höhe. „30 Euro!“ Unfassbar! Zum Abschied wäscht unser Gastvater noch den Bruno („So ungewaschen können wir uns mit dem nicht in der großen Stadt sehen lassen, findet er in ungewohnt deutscher Manier) und gibt uns seine Nummer - egal wo wir sind (ob Mazedonien, Montenegro oder im Kosovo – an Albanien sollen wir uns lieber irgendwie vorbeischlängeln, nur Verbrecher dort, meint er ;)), wir sollen nicht „shy“ sein und ihn anrufen - JEDERZEIT! Sein Angebot besiegelt er mit einer Flasche selbst gebrannten Sliwowitz – what else? Von so viel Gastfreundschaft überwältigt sitzen wir noch ein ganzes Weilchen am von uns prachtvoll gedeckten Frühstückstisch, der unserer Meinung nach alles zu bieten hat: aufgeschnittene Tomaten, zwei Sorten Käse, Spiegelei, Honig und Marmelade. Doch Nebojshas Tante scheint sich an irgendetwas zu stören. Bestürzt fällt ihr auf „Die haben das Fleisch vergessen!“
3. Vegetarier – was ist das? Kann man das essen?
Vegetarische Gerichte gibt es in Sarajevo schlichtweg nicht. Dagegen wimmelt’s nur so von Cevapcici-Variationen. Und weil es so lecker ist, gibt’s die meisten Läden gleich 2 oder 3-mal und die heißen origineller Weise „Hodzic 3“ oder „Zeljo 1“. Sogar die Briefmarken werden vom N° 1 Nationalgericht geziert! Die altbekannte „weak vegetable, rich meat“ – Balkanthese wird also einmal mehr bestätigt. Und unser bosnischer Vermieter setzt noch einen oben drauf. Als wir ihn fragen, ob er bereits von dem erst kürzlich eröffneten Fusionfood-Restaurant gehört hätte, meint er nur: „Yes but I beg you not do go there – they only sell really strange food – bad stomach, you know? But I know a nice place for you – best cevapcici in town! Zeljo 2!“ Haha.. In der Pizzeria nebenan gibt’s zwar kein Cevapcici on top – dafür aber nur eine Sorte mit rohem Schinken. Margarita führen sie leider nicht. Ist klar, wer mag auch schon Pizza Margarita und Vegetarier überhaupt? Strange diese Leute!
4. Haste mal ne (konvertible) Mark? / Kriminalität
Strange finden wir hier dagegen die vielen Bettler – meistens trauriger Weise in Form von kleinen Kindern. Als wir in Sarajevo einfahren, erfahren wir wirklich zum ersten Mal die so oft erwähnte Balkan-Kriminalität. Auf einer vierspurigen Straße kommt ein kleiner süßer, etwa 7-jähriger Junge auf uns zu gerannt und reißt ganz unverblümt die Autotür auf. Hastig versucht er alles zu greifen, was er kriegen kann. Aber da Thomas selbst das Thermometer diebstahlsicher verkabelt hat, geht der Kleine leer aus. Für die, die es nicht wissen: Bruno verfügt über ein Felgenschloss, ein Dachzeltschloss, ein Lenkradschloss UND eine eigens eingebaute Alarmanlage, die zu den unmöglichsten Zeiten anspringt. Zu den bettelnden Kindern kommen unzählige streunende Hunde und Katzen, die teilweise ganz schön abgekämpft aussehen, aber Menschen weder scheuen, noch wegbeißen. Manchmal liegen sie auch einfach ganz ungeniert im Weg an einer belebten grünen Ampelphase – wenn man so darüber nachdenkt, liegen die Hundis eigentlich immer im Weg und strahlen einen so gar nicht schuldbewusst freundlich schwanzwedelnd an. Zum Knuddeln (wenn man keine Flöhe scheut).
5. Schlechte Straßenverhältnisse
Ok, in Sarajevo wird viel gebettelt.. aber vielleicht ist das in Belgrad ja ganz anders. Aber da müssen wir ja erst einmal hinkommen. Von Sarajevo nach Belgrad. Zur Erinnerungen: Das eine ist die Hauptstadt von Bosnien, das andere die Hauptstadt von Serbien… Das kann man leicht vergessen, wenn man die einzige Verbindung zwischen den beiden Hauptstädten am eigenen Leib erfährt. Man, bin ich froh, dass wir nicht mit meinem ex-tiefer-gelegten-4er- Golf unterwegs sind. Gut, vielleicht sind wir an einer Ecke auch falsch abgebogen, aber wer hätte ahnen können, dass sich dieser Schlenker gleich zu einer Geisterfahrt über Stock und Stein durch verlassene Städtchen entpuppt. An einer Gabelung liegen auf einmal nur noch zwei Wanderwege vor uns. Zu unserem Glück erscheinen wie Geister, die wir riefen, drei ältere Herren, die uns freundlich den Weg in die richtige Richtung „Visegrad“ weisen: „Visegrad - 16 km da lang. Gut mit viele Tunnel!“. Ei ei ei und die sind nix für Klaustrophobiker! Holprige Straßen durch einfach durchbohrte Felslöcher (mit viel Phantasie auch als Tunnel zu erkennen). Selbst wenn ich laut schreien wollte, wir sind hier so fernab vom Schuss, hier würde mich keiner hören… so hoffe ich im Stillen, dass uns in diesem Gruselkabinett keine Geisterfahrer überraschen.
6. Lada Niva an jeder Straßenecke
Dank Bruno meistern wir die gruselige Fahrt aber mit Bravour. Kein Wunder, dass die Karre hier der Volkswagen des Balkans ist! Ein seit Jahrzehnten unverändertes Auto hat sich hier eben – was soll man sagen – als gut bewährt. Oder noch besser: Die Osteuropäer wissen eben, worauf sie bauen können ;)
Aber Schluss jetzt mit den vielen Klischees…
Ok, einen hab‘ ich noch: trashiger Balkanpop is alive?! Aber sowas von! Egal ob im modernen Cafe, in der Disse, bei Zara.. aus allen Lautsprechern drönen die 80s! Passend dazu gibt’s an jeder Ecke salziges Popcorn zu kaufen. Jetzt habt ihr eine ungefähre Vorstellung, wie es im Balkan aussieht: Zu schallender 80s Musik düsen Landei und Großstadtgöre im Lada über unpräparierte Straßen und verteilen großzügig Popcorn an bettelnde Straßenhunde ;) Denkt ihr das jetzt wirklich? Typisch Deutsch dieses Schubladendenken!!!
PS: neue Foddos online!
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Jill (Montag, 04 Juli 2011 13:12)
sehr sehr schön geschrieben liebe lena!! küsschen in die ferne <3
Steffi (Montag, 04 Juli 2011 17:42)
Hey, ihr zwei Weltreisenden!
Hört sich toll an, was ihr erlebt! Ich drück Euch die Daumen,
dass das weiter so läuft.
Weiterhin gute Reise und nen dicken Knutscher für Euch beide! :)
Takis (Dienstag, 10 Juli 2012 16:38)
Appreciate your details